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Grandbrothers

Mensch, Maschine, Menschmaschine? Wer spielt eigentlich den Flügel hier? Eindeutig zu beantworten ist das bei GRANDBROTHERS nicht, weil ein Computer und eine selbstgebaute, über die Jahre verfeinerte Apparatur im Spiel sind, die Hämmerchen auf das Instrument abfeuert. Wodurch der Flügel zu einer Art Cembalo oder gleich zu einer Drum Machine werden kann. Ihre Musik befindet sich in transition, sie markiert die Möglichkeiten einer Verschiebung von Bedeutungen, die mit einem traditionell dem Bildungsbürgertum und der Klassik zugeordneten Instrument möglich geworden sind. Gleich vorweg: mit Neoklassik hat das dann aber nicht so richtig zu tun.

 

Töne und Geräusche entstehen auf einem einzigen Instrument

Bei den GRANDBROTHERS gehen Beschränkung und Vielfalt immer neue, komplexe wie auch melodieverliebte Verbindungen ein. Ihren Ursprung hat die Musik - jeder Ton, jedes Geräusch - auch auf dem neuen Album von Erol Sarp und Lukas Vogel immer noch im Klang eines einzigen Instruments: Das ist ein Konzertflügel, der in ihrem Studio in Bochum steht. Der aber dann, weil so ein Instrument ja nicht mal eben in die Jackentasche zu stecken ist und von A nach B transpor- tiert werden kann, auf Live-Bühnen von immer anderen Flügeln ersetzt wird.

Jetzt bei den Aufnahmen zu „All The Unknown“ (erschien am 15.01.2021 als CD, Vinyl und digital) in der Fattoria Musica in Osnabrück standen gleich zwei Flügel und ein Klavier zur Verfügung. Flügelmann Sarp und Chefelektroniker Vogel sind für die Produktion des Albums diesmal aber zwei Schritte weitergegangen. Sie haben Samples und Loops aus Flügel-Aufnahmen mitgebracht und damit der Verfremdung, dem Spiel mit den Klängen neue Türen geöffnet. „Gerade auf der perkussiven Ebene ist da viel mehr möglich gewesen“, sagt Lukas Vogel. „Bisher war es so, dass nur die Hämmerchen den Beat machten, jetzt haben wir beispielsweise ein Buch auf die Saite gelegt, diesen Krach als Basis genommen für eine Snare, oder sind mit einer Kette die Stege entlang geratscht und haben daraus einen Shaker- oder Hi-Hat-Sound kreiert. Das war dann unser Soundbaukasten.“

 

Die Phasenverschiebung als kleiner Gag

„All The Unknown“ spielt auch mit dem Reiz der Täuschung, die diese Sounds mit sich bringen: Ist das ein Synthesizer, der wie eine Wolke durch den Beginn des Tracks „Black Frost“ zieht, bis sich eine Pianomelodie fein aus dem Sound schält? Kommt da ein gesampelter Beat bei „Mourning Express“ zum Einsatz? Und was zum Himmel ist das „Goat Paradox“? „Ein kleiner musikalischer Gag“, sagt Erol Sarp. Und der ist aus der Situation im Studio mit den beiden Flügeln und dem Klavier entstanden. „Die Instrumente standen dort so nah beieinander, dass ich Flügel und Klavier gleichzeitig spielen konnte.“ Er nutzt dabei die Technik des in der Minimal Music oft eingesetzten „Phasing“ (auf zwei Instrumenten wird dieselbe repetitive Melodie gespielt, ein Instrument bewegt sich dabei in zunehmendem zeitlichem Abstand von dem anderen fort). „Ich hatte begonnen, die linke Hand um eine Sechzehntel zu verschieben, während ich das gleichzeitig spielte und dadurch entstand dieser Echo-Effekt.“ Eine an Steve Reich erinnernde Übung in 32 Sekunden, die im Werk des Duos für die humorvolle, spontane Seite steht.

Wenn man für die GRANDBROTHERS ein Motto aufstellen wollte, dann lautete das: Klang durch Forschung. Was ist möglich, was wurde bislang noch nicht probiert? Ihrer Arbeit an Flügel und Computer gehen die beiden gemeinsam seit 2012 nach, kennengelernt hatten sich Erol Sarp und Lukas Vogel beim Studium am „Institut für Musik und Medien“ an der Düsseldorfer Robert Schumann Hochschule. Eine akademische Fingerübung stellte ihre Musik von Anfang an nicht dar, auf den Alben „Dilation“ (2015) und „Open“ (2017) entließen sie die Musik des präparierten und modifizierten Flügels in zahlreiche neue Kontexte, das Spektrum reichte von Pop bis zur Minimal Music. Der Soundwelle des Albums „All The Unknown“ gingen die Aufnahmen für den eher fließenden Filmscore zu „Hors Normes“ (der neueste Film von den Machern von „Ziemlich Beste Freunde“) voraus.

 

Das Album als Quelle für Assoziationen

Überhaupt: Jeder zweite unter den 13 neuen Tracks würde eine hervorragende Figur in einem Score abgeben. Titel wie „Auberge“, „Four Rivers“ oder „Shorelines“ verbinden die Musik ad hoc mit Stimmungen, die wiederum von Pianomelodien aufgefangen oder aber durchkreuzt werden. „All The Unknown“ lässt Raum für Assoziationen, es wird zum Soundtrack der eigenen Beobach- tungen. „Die Musik war immer zuerst da, die Titel sind dann teilweise auch sehr spielerisch entstanden“, erklärt Lukas Vogel.“ „Wir versuchen meistens, nicht zu viel Konkretes mit den Titeln vorzugeben und Platz für eigene Interpretationen zu lassen.“

Erol Sarp, gebürtiger Wuppertaler mit türkischen Wurzeln, arbeitet aktuell in Berlin. Lukas Vogel ist in Zürich aufgewachsen, lebt mit seiner Familie in Bochum. Gemeinsam produzieren die Grandbrothers ihre Sounds im Studio in Bochum, sie nutzen aber auch die Kommunikation über Files, die sie sich zukommen lassen. „Wir haben uns viel hin- und hergeschickt“, erzählt Erol Sarp. „Das meiste wollten wir dann aber zusammen im Raum spielen und spüren. Dass es Momente gibt, die einen packen. Wenn wir das gemeinsam machen, können wir besser aufeinander eingehen.“

 

Der Computer schenkt Erol Sarp eine dritte oder vierte Hand

Die Verlängerung des menschlichen Körpers und seiner Fähigkeiten – sie funktioniert für die GRANDBROTHERS in digitalen Sphären. „Früher habe ich gedacht, dass es eigentlich ganz praktisch wäre, wenn ich eine dritte oder vierte Hand hätte, um das Klavier noch breiter zu bespielen“, sagt Erol Sarp. „In einigen Stücken haben wir es jetzt so gemacht, dass wir mehrere Schichten überei- nanderlegen, sodass vier oder fünf Patterns zusammenlaufen. Es ist dann aber nicht so, dass ich das alles genau so live spielen könnte, dafür fehlen mir einfach die Finger oder die Hände.“

Der Erweiterung des Konzepts steht aber nichts im Wege. GRANDBROTHERS mit anderen Musikern? „Eine gute Idee!“, sagen sie. GRANDBROTHERS für den Club? „Mit dem neuen Album gehen wir in eine elektronischere Richtung, wir hoffen, dass sich die Musik auch Leute anhören, die in Clubs gehen und tanzen“, sagt Lukas Vogel.

tickets

Mo-Fr 9-18 Uhr, Sa-So 10-18 Uhr

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